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Neue (tierische) Einwohner in Grasleben

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Zwei Storchenvideos über die ersten Flugversuche unseres Jungstorchs finden Sie weiter unten im Beitrag. 

Interview mit dem Storchenbeauftragten des Landkreises Helmstedt, Manfred Spey

ZEITLOS: Guten Tag, Herr Spey! Sie sind Storchenbeauftragter des Landkreises Helmstedt. Was bedeutet das?

Ich interessiere mich seit meiner Kindheit für die Natur und für die Tierwelt und habe 30 Jahre Vögel gezüchtet. 2014 mußte ich dieses Hobby aufgeben. Im gleichen Jahr 2014 traf ich den Storchenbetreuer Georg Fiedler, der für den Landkreis Helmstedt zuständig war.
Er bot mir an, an einer Beringung der Jungstörche teilzunehmen, was ich sehr gerne annahm.
Von diesem Moment an hatte ich die Störche in mein Herz geschlossen. Drei Jahre durfte ich die Störche im Landkreis alleine betreuen. 2019 bekam ich von der NLMKN (Niedersächsischer Landschaftsbetrieb für Wasserwirtschaft, Küste und Naturschutz Hannover) die offizielle Bestätigung. Damit war ich offizieller Storchenbetreuer für den Landkreis Helmstedt.

 ZEITLOS: Wie ist die diesjährige Störche-Bilanz für den Landkreis Helmstedt, für die Samtgemeinde Grasleben und für Grasleben?

Auf 19 Horsten, so nennen sich die Storchennester, schlüpften 51 Adebars, wie die Störche auch genannt werden. Von Ihnen sind 32 Jungstörche flügge geworden. 19 Junge haben die ersten Lebenswochen nicht überstanden.

Es gibt verschiedene Gründe für diesen Verlust, wie z.B. Storchenkämpfe oder Seeadler, die vermehrt in unsere Region eingedrungen sind, und auch eine natürliche Selektion.

In der Samtgemeinde Grasleben sind auf drei Horsten 6 Junge flügge geworden. Besonders freut uns, dass erstmalig auf dem Schornstein der ehemaligen Allerthalwerke in Grasleben, wo jetzt die Allerthal Gras Leben GmbH ansässig ist, ein Storch flügge geworden ist.

ZEITLOS: Wollen Sie zunächst generell etwas zu den Störchen sagen?

19 Storchenarten gibt es weltweit, in Europa nur den Weiß-und Schwarzstorch.

Es gibt sogenannte Ost- und Westzieher: Ostzieher fliegen über das Baltikum bis Südafrika. Die Westzieher flogen früher bis hinter Marokko, aufgrund der mit dem Klimawandel einhergehenden Erderwärmung fliegen sie heute nur noch bis nach Spanien.  Es gibt auch schon einige, die in Deutschland bleiben.

ZEITLOS: Wie groß ist ein Storch und welche Flügel-Spannweite hat ein Storch?

Bei uns leben die Weißstörche und Schwarzstörche. Sie sind ca. 80 bis 100 cm groß und haben eine Flügelspannweite von etwa 200 bis 220 cm. Das Federkleid ist rein weiß, die Schwungfedern sind schwarz und Schnabel und Beine rot.

ZEITLOS: Wann kehren die Störche üblicher Weise aus dem Süden in hiesige Gefilde zurück? Kommt das Paar zusammen?

Die männlichen Störche kommen meist Mitte Februar bis Ende März zurück und suchen den Nistplatz aus. Der Horst wird so gewählt, dass sich in rund drei bis fünf Kilometer Umkreis ausreichend große Nahrungsgründe finden und ausreichend Wasser.

ZEITLOS: Sind die Störche standorttreu? Was können Sie uns zum Nestbau sagen?

Die Weißstörche sind ‚Nesttreue‘, aber keine ‚Partnertreuen‘. Zuerst kommt das Männchen und etwa 1 bis 2 Wochen später  folgt das Weibchen. Wenn das Weibchen nicht rechtzeitig zurückkommt, verpaart sich das Männchen mit einer anderen, einfach aus Arterhaltungsgründen. Manchmal gibt es auch Kämpfe zwischen den Frauen.

Der Nistplatz von Störchen wird als Horst bezeichnet. Storchenmännchen bleiben ihrem Horst über  Jahrzehnte treu und betreiben den Nestbau immer weiter. So kann der Horst eine Höhe von mehreren Metern und ein Gewicht von bis zu zwei Tonnen erreichen. Einen derart großen Nestbau betreibt kein anderer europäischer Vogel.

Wir bauen pro Jahr ein bis zwei Nisthilfen, die durch Spenden engagierter Einwohner finanziert werden.

ZEITLOS: Wann werden Störche geschlechtsreif?

Weißstörche werden im Alter von etwa zwei bis drei Jahren geschlechtsreif.

ZEITLOS: Woher kommt der Name Klapper-Storch?

Weißstörche haben nur eine schwach ausgeprägte Stimme. Er verständigt sich durch Klappern mit dem Schnabel, deshalb wird er auch Klapperstorch genannt. Zur Begrüßung des Partners am Nest und zur Verteidigung gegen Nestkonkurrenten wird geklappert. Ausgiebiges gemeinsames Schnabelklappern ist auch Zeichen der Balz.

 ZEITLOS: Wann fangen die Störche an zu brüten? Wie viele Eier legen die Störche maximal? Wie groß ist das durchschnittliche Gelege?

Üblicher Weise erstreckt sich die Brutzeit von Anfang März bis Mitte Mai, dann erlischt der Bruttrieb.

Das Gelege besteht aus 2 bis 8 Eiern, durchschnittlich aus 3 bis 5 Eiern. Die Eier sind etwa doppelt so groß wie ein Hühnerei. Wie viele Eier unser Storch in Grasleben gelegt hat, kann ich nicht sagen. Es sind 2 Junge geschlüpft und einer wurde  groß.

ZEITLOS: Wie lange brüten die Störche? Brüten beide Störche?

Beide Storcheneltern brüten abwechselnd. Die Brutzeit dauert 30 bis 32 Tage. Anschließend sitzen die Jungstörche 58 bis 64 Tage auf dem Nest. Unser Storchenjunges in Grasleben ist recht spät geschlüpft und saß noch bis August auf dem Nest. Es war lustig zu sehen, wie der Jungstorch erste Flugversuche hüpfend auf dem Horst absolvierte. 

ZEITLOS: Wovon ernähren sich Störche?

Kleintiere, wie Insekten, Regenwürmer, Froschlurchen, Fische, Eidechsen, Mäusen, Ratten, Schlangen sowie von Aas sind die vorrangige Nahrung der Störche. Selten frisst er Eier und Nestlinge anderer Vögel.

Seine Jagdmethode ist schon aus weiter Entfernung erkennbar: Der Storch schreitet auf der Suche nach Beute durch Wiesen und Sumpfland und stößt dann blitzartig mit dem Schnabel auf seine Beute herab. In seichten Gewässern durchschnäbelt er das Wasser nach Beute.

ZEITLOS: Was wiegt ein ausgewachsener Storch? Wieviel Nahrung nimmt er in etwas täglich zu sich?

Weißstörche haben ein Gewicht von etwa 2,5 bis 4,5 kg und benötigen täglich etwa ein Siebtel ihres Körpergewichts an Nahrung. Für den eigenen Bedarf benötigt ein 3,5 Kilogramm schwerer Storch also etwa 500 Gramm Nahrung. Darüber hinaus muss er bis zu 1 Kilogramm täglich für die Jungen ab der dritten Lebenswoche sammeln.

Auch große Beutestücke bis knapp 1.000 Gramm werden vom Storch als ganzes Stück verschlungen. Der Storchenschnabel ist für das Zerlegen von Beute und Aas nicht geeignet.  Für die Aufzucht des ganz jungen Nachwuchses bis zum 10 Tag sucht der Storch gezielt nach Regenwürmern, Insekten oder kleinen Fröschen. Diese werden in das Horst ausgespien und nicht von Schnabel zu Schnabel gefüttert. Im Kampf um die Nahrung haben die erstgeschlüpften Jungstörche Vorteile, so dass manchmal kleine Jungstörche verhungern.

ZEITLOS: Während der Brutzeit kommen Sie regelmäßig und beobachten das Nest. Worauf achten Sie?

Meine Beobachtungen beginnen mit dem Ankommen der Störche. Mit einem Spektiv lese ich die Ringe ab, die an den Vogelwarten gemeldet werden. Es gibt die Vogelwarten DEW Helgoland , DEH Hiddensee und DER Radofzell in Deutschland.

Dann beobachte ich, wann die erste Eiablage erfolgt und den Schlupf der Jungen. Etwa ab der ersten Woche nach Schlupf sehe ich die kleinen Köpfe und stelle die Stückzahl fest.

Des Weiteren werden verletzte Störche nach Leiferde zur Aufzuchtstation gebracht.

ZEITLOS: Warum werden Störche beringt und wann?

Nach 3 bis 6 Wochen werden die Jungen Adebars beringt. So können wir nachverfolgen,  wo sie sich in den Wintermonaten aufhalten oder wann sie zurückkommen.

Zeitlos: Nach welcher Zeit ist ein Jungstorch ausgewachsen?

Nach etwa 5 bis 6 Monaten hat der Jungstorch die Größe der Altstörche.

Was sind die natürlichen Feinde des Storchs? Was sind sonstige Feinde?

Die großen Bestandsrückgänge sind auf die Industrialisierung zurück zu führen. Die Trockenlegung von Feuchtgebieten, die Umwandlung von Wiesen in Felder sowie Stromschläge durch Freileitungen.

In letzter Zeit hat sich der Seeadler in unsere Region breitgemacht, es wurden von ihm schon einige Nester leer geräumt.

ZEITLOS: Wann starten die Störche ihre Reise ins Winterquartier und warum?

Noch im August, spätestens im September machen sich die hiesigen Störche auf den Weg gen Süden. Da müssen dann auch die Jungstörche schon die lange Strecke mitfliegen. Im August/September herrscht noch warmes Wetter und die Störche nutzen diese Thermik, um als Gleiter mit möglichst geringem Energieaufwand zu fliegen.

ZEITLOS: Wie alt wird ein Storch?

Der Weißstorch kann ein Alter von über 35 Jahren erreichen, der uns bekannte älteste Storch in Südniedersachsen war ein Weibchen mit 26 Jahren. Sie wurde 1994 in Prignitz beringt und brütete nur in der Samtgemeinde Velpke und zog 48 Junge auf. Leider ist sie in diesem Jahr nicht zurückgekommen.

ZEITLOS: Was kann jeder für den Schutz von Störchen tun?

Man sollte unbedingt verletzte Störche melden. Außerdem sollten weitere Grünflächen geschaffen und Feuchtgebiete erschlossen werden.

ZEITLOS: Lieber Herr Spey, wir danken für das interessante Gespräch!

 

Das Interview für ZEITLOS führte Maren Paas, Geschäftsführerin der Allerthal Gras Leben GmbH

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